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Samstag, 29. März 2014

Open Europe Berlin Blog: „Mut zu Deutschland. Für ein Europa der Vielfalt“....

Mittwoch, 26. März 2014

Mut zu Deutschland. Für ein Europa der Vielfalt“. Das EU-Wahlprogramm der Alternative für Deutschland. Von Michael Wohlgemuth

Wie schon vor den Bundestagswahlen analysiert Open Europe Berlin die Wahlprogramme der deutschen Parteien, die Aussicht haben, ins Parlament zu gelangen – diesmal im Hinblick auf die Wahlen zum EU-Parlament (EP) Ende Mai diesen Jahres. Dabei geben wir Informationen, keine Wahlempfehlungen. Besonders interessiert uns, welche Grundüberzeugungen die Parteien vertreten, welche Lösungsvorschläge für die Euro-/Staatsschuldenkrise unterbreitet werden, ob und wie die Entscheidungsverfahren innerhalb der EU reformiert werden sollen und welche Positionen sonst von den jeweiligen Parteien besonders betont werden.
An diesem Wochenende hat die neue Partei „Alternative für Deutschland“ in Erfurt, nach anfangs turbulentem Start (Querelen über Satzung und Posten), ein Wahlprogramm verabschiedet. Sie finden es hier. Im Vergleich zur Bundestagswahl (in der es eigentlich um viel mehr Themen geht) hat das Programm der AfD deutlich zugelegt: von vier Seiten auf 25. Nach letzten Umfragen könnte auch der Wahlerfolg der AfD zulegen: von knapp unter fünf Prozent (und damit ohne Sitz im Bundestag) auf über sechs Prozent (und damit auf um die sechs Abgeordnete im EP).

Ideale

Die Alternative für Deutschland (AfD) will eine Europäische Union (EU) souveräner Staaten“ – so beginnt die Präambel des AfD Programms. Es kann nicht verwundern, dass schon dieser Satz in Erfurt heftig debattiert wurde. Was heißt Souveränität (das alte national-konservativ-kollektivistische Konzept der "Staatssouveränität" oder ein liberal-individualistisches Konzept der "Bürgersouveränität")? 

Aber ein Parteitag ist kein staatsphilosophisches Proseminar. Und die AfD zeigte in Erfurt auch kaum Anzeichen EU-feindlicher Deutschtümelei. Sie „bekennt sich uneingeschränkt zu einer Europäischen Union, die der Aufklärung sowie dem Streben der Völker nach Menschenrechten und Demokratie gerecht wird und die die Wertegrundlagen des christlich-abendländischen Kulturkreises dauerhaft erhält“ (S.2). Neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden „soziale Marktwirtschaft“ und „Subsidiarität“ besonders oft betont, aber auch „Solidarität mit den wirklich Bedürftigen“ (S.3).

Für die AfD sind dies aber nur in Teilen tatsächliche Errungenschaften der EU, sondern vielmehr Desiderata, die die EU nicht (mehr) einlöst. Hauptursache hierfür sei der „Einheits-Euro“, der die EU und ihre Grundprinzipien gefährde.

Euro-Rettung

Die Ablehnung der Euro-Rettungsaktionen ist bekanntlich die ursprüngliche Gründungsidee der AfD. Was sie von allen im Bundestag vertretenen Parteien unterscheidet ist genau das: die Forderung nach einem „geplanten und geordneten Ausstieg aus dem Einheitseuro“ (S.5). Im Vergleich zum Bundestagswahlprogramm  wird nun die Forderung „Auflösung, zumindest aber … vollständige währungspolitische Neuordnung des Euro-Währungsgebiets“ etwas konkreter, in Form einer Prioritätenliste oder möglichen Abfolge:
  • Als erster Schritt muss … jedem Land das Recht eingeräumt werden, die Eurozone zu verlassen, ohne aus der EU auszuscheiden. Davon sollten die Länder Gebrauch machen, die die Bedingungen der Währungsunion nicht erfüllen können oder wollen“.
  • Andernfalls sollten die stabilitätsorientierten Euroländer unter sich ein kleineres, am Maastricht-Vertrag angelehntes Währungssystem bilden. Dabei kann man sich an dem vor 1998 bestehenden Europäischen Währungssystem (EWS) orientieren“.
  • Wenn keine dieser beiden Lösungen erreicht werden kann, muss Deutschland den Austritt aus der Euro-Währungsunion anstreben. Auch dann würde die AfD eine Währungszusammenarbeit wie im früheren EWS anstreben“.
  • Analog zum Vorgehen bei der Einführung des Euro können beim Austritt übergangsweise Parallelwährungen getrennt für den baren und den unbaren Zahlungsverkehr eingeführt werden“.

Konkret heißt das wohl: am liebsten wäre es der AfD, wenn Griechenland (und andere auch nicht genannte Länder) freiwillig und im eigenen Interesse aus dem Euro austreten. Wenn das nicht passiert, dann solle sich ein „Nordeuro“ abspalten und als „ultima ratio“ käme dann erst die Rückkehr zur D-Mark in Betracht.

Ob und wie das jeweils genau gehen soll und vor allem: welche ökonomischen und politischen Konsequenzen eine Auflösung der Euro-Zone hätte, kann kein Wahlprogramm vorgeben. Selbst deutsche Ökonomen sind sich da nicht einig, wie unser Gelehrtenstreit auf dem Open Europe Berlin Blog zeigt: 

Ähnlich streitbar sind (auch unter Ökonomen) die weiteren Positionen der AfD zur Euro-Rettungspolitik. Sie will (S. 6):
  • den ESM auflösen (und damit Art. 136a AEUV aufheben); 
  • das OMT Programm sofort beenden; 
  • Deutschland in der EZB bei „grundlegenden Entscheidungen“ ein Vetorecht einräumen (wenn Deutschland ein Stimmgewicht entsprechend dem Kapitalschlüssel von 27% erhielte und nur mit qualifizierter Mehrheit von 75% entschieden werden könnte, wäre das die Folge); 
  • TARGET-2 Salden zurückführen und danach jährlich ausgleichen; 
  • staatliche Insolvenzverfahren einführen; 
  • Die europäische Bankenunion wird abgelehnt; stattdessen fordert die AfD die „Re-Nationalisierung der Stabilisierungsbemühungen des Bankensektors“.  Gleichzeitig finden sich aber auch jede Menge Vorschläge zur Bankenregulierung (S.7): Aufspaltung der Großbanken, Trennbankensystem, „scharfe Bankenaufsicht und -regulierung“, „Eigenkapitalquote von mindestens 25%“ unter Einbeziehung des Risikos von Staatsanleihen u.v.m. Wie das im Rahmen eines „re-nationalisierten“ Systems gelingen soll, ohne Regulierungsarbitrage Tür und Tor zu öffnen, ist zumindest mir noch unklar.
EU-Governance

Hier macht die AfD das Subsidiaritätsprinzip stark – auch im Sinne einer Repatriierung von Kompetenzen (S.8). Vor allem drei institutionelle Reformen werden in diesem Zusammenhang vorgeschlagen:
  • Ein „Vetorecht der nationalen Parlamente gegen Entwürfe von Gesetzgebungsakten der EU-Organen“. Hier geht die AfD weiter als andere gemäßigt EU-kritische Parteien in Europa, die vor allem eine verschärfte Subsidiaritätsrüge einer Gruppe nationaler Parlamente („rote Karte“) fordern. Denn schon ein jedes einzelnes nationales Parlament soll verhindern können, dass (neue) EU-Gesetze oder Maßnahmen im eigenen Land gelten. Das „ordentliche Gesetzgebungsverfahren der EU“ (Mehrheiten im Rat und EU-Parlament) wäre damit effektiv ausgehebelt.
  • Schließlich wird auch mehr direkte Demokratie gefordert. Ein „Bürger-Veto“ nach „Schweizer Vorbild“ soll EU-Gesetzgebung (egal welcher Art?) in dem jeweiligen Mitgliedsstaat blockieren können.
  • Prozedural eher kompatibel mit gemeinschaftsrechtlicher Praxis wäre die AfD-Forderung nach einem „Subsidiaritäts-Gerichthof“ bestehend aus obersten Richtern der Mitgliedsstaaten, die von nationalen Parlamenten bestellt werden. Hier könnten Bürger und Institutionen gegen Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips klagen.
Was das Spannungsverhältnis zwischen Erweiterung und Vertiefung betrifft, spricht sich die AfD für einen Vorrang der Konsolidierung vor der Erweiterung aus; konkret sollen die Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beendet werden. Als Modell dient ein Europa als „flexibles Netzwerk der verschiedenen Geschwindigkeiten, an dem jeder europäische Staat gemäß seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten teilnehmen kann“ (S. 11).

Sonstiges

Als neues Sammelbecken für viele einst enttäuschte und jetzt wieder engagierte Bürger hat die AfD jede Menge Meinungen zu bewältigen und zu integrieren. Folglich finden sich auch Themen, die in einem Wahlprogramm zum EU-Parlament auch verzichtbar gewesen wären: Beibehaltung der Winterzeit (S. 11); die Abschaffung des deutschen Erneuerbare Energien Gesetz EEG (S. 20); Ablehnung von Straßengebühren in Europa (S. 22); „Lärmbelastung des Luftverkehrs als Ärgernis“ (S. 22) oder „einheitliche Steckdosen in allen Mitgliedsländern der EU“ (S. 25).

Zur relevanteren EU-Wirtschaftspolitik nimmt die AfD eine etwas mehrdeutige Position ein. Der EU-Binnenmarkt wird als Kern der europäischen Integration begrüßt; auch wird abstrakt angedeutet, dass „institutionelle Zugangsbarrieren“ zu Dienstleistungsmärkten abgebaut werden sollen (S. 12); gleichzeitig sollen aber Barrieren (etwa unter dem Label Verbraucherschutz oder Meisterbrief) „im Ermessen der Mitgliedsstaaten verbleiben bzw. zurückverlagert werden“.

Die Spannung zwischen Freihandel und „nationalem Ermessen“ zeigt sich noch deutlicher in Punkt IV.2 „Kein Freihandelsabkommen zu Lasten Europas“. Wohl sehr zum Verdruss der liberalen Ökonomen in der AfD hat sich der Parteitag letztlich gegen das laufende Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) ausgesprochen:
Da die Verhandlungen intransparent und hinter verschlossenen Türen geführt werden, muss befürchtet werden, dass der Schutz der europäischen Qualitäts-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards nicht gewährleistet ist. Die Geheimhaltung widerspricht zudem unserem Verständnis einer mündigen Demokratie. Unter diesen Umständen lehnt die AfD eine Beschlussfassung über das Freihandelsabkommen mit den USA ab“.
Mit ihren Prinzipien einer "mündigen Demokratie" und der Forderung nach "Transparenz" (die EU geht da bei TTIP übrigens schon weiter als in vorherigen, am Ende für alle segensreichen Verhandlungen) liegt die AfD zwar grundsätzlich immer richtig. Hier lehnt die Partei aber lange vor Abschluss eines Abkommens (über das am Ende dann auch demokratisch abgestimmt werden wird) schon jetzt ein Projekt ab, das volkswirtschaftlich und geopolitisch auf beiden Seiten des Atlantiks immens wertvoll sein kann.

In der Sozial- und Einwanderungspolitik herrscht eine ähnliche Spannung. Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit wird als „große Errungenschaft der europäischen Integration“ begrüßt (S.13). Arbeits- und Sozialpolitik gehörten aber zu den „nationalen Aufgaben der Mitgliedsstaaten“. National-populistische Töne finden sich hierbei nicht wirklich – anders als bei vielen anderen EU-skeptischen Parteien, die im Mai antreten. Zwar wird auch von der AfD eine „Einwanderung in deutsche Sozialsysteme“ abgelehnt (S.15), was das aber für Einwanderer als EU-Staaten heißt, wird nicht klar, weil hier nur generell von „Zuwanderern“ die Rede ist. Für Asylbewerber wiederum spricht man sich für Erleichterungen aus, auch sollen sie in Deutschland ein „Recht auf Arbeit“ haben (S.16), was wohl heißt, dass das Verbot, zu arbeiten aufgehoben werden soll.

Die AfD äußert sich zudem zu Bildungspolitik, Forschung und Entwicklung, Gleichstellungspolitik, Gesundheitspolitik, Energie- und Umweltpolitik, Agrarpolitik, Infrastruktur- und Datenschutz mit Positionen, die oft einen gesunden Menschenverstand ansprechen und sich insgesamt einem ideologischen rechts- links- Schema entziehen.

Ausblick

Die ersten Parteitage und programmatischen Gehversuche der AfD erinnern ein wenig an die Anfangsjahre der anderen Alternativen: der Grünen. Als etwas chaotisches Sammelbecken der vom politischen „mainstream“ Enttäuschten, die zunächst vor allem ein Thema zum Engagement bewegt. In der AfD haben sich bisher vor allem klassisch-liberale sowie wert-, aber auch strukturkonservative Mitglieder gegen die Euro-Rettungspolitik versammelt. Aber „für plumpen Rechtspopulismus gab es keine Anzeichen“, berichtete selbst die Süddeutsche Zeitung vom Parteitag 

Die Ausweitung des Parteiprogramms über rein „Euro-skeptische“ Positionen hinaus war sicher geboten; zumal die Bürger in Deutschland inzwischen von „Euro-Krise“ wenig fühlen und wohl auch erst einmal nichts mehr hören wollen. Mit den Themen Überzentralisierung und Demokratiedefizit liegt die AfD dagegen wahlstrategisch richtig, wie auch unsere Umfrage vor einigen Wochen gezeigt hat .

Bei den Themen Freihandel und Zuwanderung freilich werden sich Liberale und Konservative in der AfD wohl weiter kaum einig werden können; und wenn im Zuge der anstehenden Landtagswahlen nicht ernsthaft Target-2 Salden, Parallelwährungen und Auflösung des europäischen Währungsgebiets an den lokalen Wahlständen debattiert werden, sondern Bildungs-, Umwelt- oder Familienpolitik, könnten die Unterschiede zwischen den (sich zumal als jeweils „alternativ“-radikalen Varianten) liberaler oder konservativer Weltanschauung nochmals deutlicher zeigen.
[Fußnote für Feinschmecker: Grundsätzlich immer noch lesenswert zum Unterschied zwischen „liberal“ und „konservativ“ F.A. von Hayek]

Auch wenn die AfD im EU-Parlament wenig wird ändern können – im Gegenteil dürften die rund 20-30 Prozent EU-skeptischer Parteien von rechts und links nur dazu führen, dass das EP dauerhaft von einer „großen Koalition“ der beiden großen Mitte-rechts und Mitte-links Fraktionen bestimmt sein wird – sie könnte indirekt einiges bewegen.

Am Ende des Wahlprogramms deutet die AfD diese indirekte Wirkung (die auch die Grünen hatten) selbst an: „Die AfD wird der Leisetreterei und Bagatellisierungstaktik der Altparteien keine Chance lassen. Die AfD wird Europa zum Guten verändern, weil sie die Altparteien verändern wird“. Ob „zum Guten“ oder nicht: zumindest ist nicht auszuschließen, dass ein Erfolg der AfD bei den EU-Wahlen etwas bei den „Altparteien“ links wie rechts der Mitte bewegen könnte.

Was genau das sein wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht wenigstens eine intensivere Debatte über die Zukunft Europas.  Deshalb wünschte sich schon letztes Jahr Jürgen Habermas einen Erfolg der AfD (deren Positionen er ganz und gar nicht schätzt). 

Eingestellt von Michael Wohlgemuth um 14:55
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